Ich gehöre einer Generation an, die den Schulstoff auswendig lernen musste, ohne richtig zu verstehen, was das bedeuten sollte. Wenn ich mit meinen Bemerkungen bei einigen Lesern offene Türen einrenne, bitte ich um Entschuldigung. Ich selbst habe erst spät gelernt, richtig zu üben. Wobei es beim Erlernen eines Instruments nicht um Übung geht, sondern ums Musizieren.
Es gibt Musiker, die viel üben und nicht weit kommen. Der Grund dafür ist ein Missverständnis: Musik kennt Regeln, aber keine Gesetze. Daher sollte man sich eher auf das Finden von Wegen begeben, statt sich sklavisch einem Konzept zu verschreiben. Wenn mein Lernen stagnierte, dann habe ich meistens übersehen, was ich falsch mache. Wobei es beim Musizieren nur einen Fehler gibt, nämlich alles so machen zu wollen, wie vermeintliche oder echte Vorbilder.
Musik ist Klang und Bewegung. Wer sich bewegen will, sollte zunächst völlig entspannt sein. Ob man ein Plektrum oder seine Finger zum Anschlagen benutzt, ist sekundär. Der Wunsch nach Kontrolle über die Hände führt manchmal zu einer verkrampften Haltung. Das behindert. Viel besser ist es ein paar Lockerungsübungen zu machen, einfache rhythmische und langsame Bewegungen. Innere Ruhe und Gelassenheit tun der Kontrolle über das eigene Spiel gut, mehr als Strenge oder Zwang.
Fast ebenso wichtig ist es, sich selbst beim Spielen zuzuhören, ohne das Ergebnis zu verurteilen. Beim Üben ist es wichtig, gegenüber sich selbst die Haltung eines gütigen und geduldigen Lehrers einzunehmen und das Ergebnis erst dann zu beurteilen, wenn es gut ist. Dabei sollte man sich auch nicht von fremder Kritik oder den eigenen Schwächen ablenken lassen, sondern diese besser umgehen.
Ein weiterer Punkt verdient Beachtung. Gute Musiker sind gerissen. Sie wissen viel über einfache Wege, Abkürzungen und Illusion. Musik ist kein Sport und keine Artistik, sondern eine Ausdrucksform. Können ist Mittel zum Zweck. Man kann sich falsche Frustrationen ersparen, indem man das eigene Können auf geeignete Themen anwendet, statt sich zu fragen, warum man langsamer spielt, als einige Virtuosen.
Schließlich sollte man Freude haben, am Musizieren. Die entsteht dann, wenn man sich Zeit lässt und Fehler erlaubt. Es klingt etwas altmodisch, aber die meisten erfolgreichen Musiker sagen, der Weg sei das Ziel. Das ist richtig. Auch wer nur die einfachsten Methoden beherrscht, kann viel ausdrücken, solange er sich auf seine Gefühle und seine Intuition verlässt.
Harm von Lintig, Webmaster
Schreibe einen Kommentar